Unendlich viel Mais, 100 Kühe und 40 Zähne

Hallöchen liebe Leute 😃 Es ist mal wieder super viel Neues passiert in super kurzer Zeit. Hier eine wirklich kurz gefasste Zusammenfassung 😉:

Unendlich viel Mais gab es vorletzes Wochenende zu sehen, zu ernten und zu schälen. Adi und ich waren dabei nur zwei von ungefähr 15 weiteren Mithelfern, darunter die gesamte Familie, ebenso wie Verwandte und Freunde. Ich sag´s euch: Merkt euch das Wort Spontanität– es ist eine Lebensweisheit in Ghana. Denn wie kann es sein, dass ich am Samstag um neun Uhr aufwache, erfahre, dass beschlossen wurde, an diesem Tag Mais zu ernten und dass seit sieben Uhr in der Frühe tatsächlich genügend freiwillige Helfer am Start waren, um der Familie Azure den ganzen Tag bei der jährlichen Maisernte zu helfen.

Tja, die Spontanität besorgte mir an diesem Morgen einen guten Erholungsschlaf, dafür durfte ich mir später anhören, was ich mir für einen Spaß auf dem Feld entgehen lassen habe. Aber die Arbeit war ja noch lange nicht getan und spaßig wurde es auch hinterher. Im Garten wartete nämlich nun ein gut zwei Meter hoher Maisberg auf uns, der geschält werden wollte, um dann in den nächsten Schritten zu trocknen und als Korn in der Mühle landen zu können. Es war trotz der schmerzenden Hände ein sehr gemütliches und vor allem gemeinschaftliches Erlebnis, wie wir alle um den Maisberg versammelt gequatscht, gelacht, gegessen und (hin und wieder auch 😉) gearbeitet haben (Bernice, die uns mit dem Mittagessen versorgte, hatte damit das Pech abbekommen, mehr oder weniger unfreiwillig zu unserem Unterhaltungsprogramm zu werden. Es geht ja mal gar nicht, dass eine ghanaische Frau sich drückt, bei der „harten“ Arbeit mitzuhelfen…und dann fängt sie auch noch an, unser Essen heimlich zu stehlen (In der Tat verschwanden tatsächlich hier und dort geröstete Maiskolben und es war riskant, seinen halb fertigen Reisteller unbewacht abzustellen) …also Bernice, das muss wirklich ein Ende finden 😃 (Sorry Bernice)).

Spannend wurde es, als sich plötzlich am strahlend blauen Himmel eine dunkle Wolkenwand bildete und ehe man sich versah, prasselte der Regen auf uns nieder. Aber auch das ist in Ghana ja bekannt und ganz spontan wurde mit einer Plane ein künstliches Dach gebastelt- Selbstverständlich für den Mais, die Nation ohne Regenschirme fürchtet sich doch nicht vor ein bisschen Regen 😉.

Am Ende des Tages stand fest: Das Hauptgericht TZ wird auch im nächsten Jahr seinen Stellenplatz verteidigen. Adi und ich konnten da nur noch vor Freuden in die Hände klatschen und dankten Gott für die absolut interessanteste und sinnesberauschenste ghanaische Lieblingsspezialität.

…Für 100 Kühe hätte mich mein Mentor William beinahe an den König von Nalerigu verkauft. Leider nur beinahe, denn dann hätte ich mein Leben lang nicht mehr arbeiten müssen. Nur zu dumm, dass ihm drei Kühe nicht gereicht haben. Aber eins nach dem anderen 😉.

Zu Zeit sind „alte Bekannte“ auf Besuch in Nalerigu. Fast alle, die meisten von ihnen Ärzte verbrachten einen längeren Lebensabschnitt in diesem Ort und kommen nun jährlich auf Besuch. Dann kommt es manchmal vor, dass sie vom König eingeladen werden, was auch bei diesem Aufenthalt der Fall war. Uns hatten sie gefragt, ob wir sie nicht begleiten wöllten und natürlich wollten wir da! So ging es in schicken, wenn´s ging traditionellen Kleidern und einer Tüte M&Ms, als Gastgeschenk in der Tasche auf zum Königspalast. Dir Königsfamilie lebt immer noch in der Tradition der Volksgruppe Mamprusi, was zum einen an der Bauweise aber auch am Familienleben sichtbar wurde. Im Gegensatz zu den anderen wohlhabenderen Menschen im Ort, lebt der König noch in einem traditionell gebauten Palast. Das sah dann so aus: Man betrat das Gebäude durch ein Tor und wurde auf einer kurzen Straße auf den Innenhof geführt. Rund um diesen Hof waren zahlreiche runde Lehmhütten angebaut, in welchen die Frauen mit ihren Kindern lebten. Trotz der jetzt schon beeindruckenden Größe, konnte das, was wir zu Gesicht bekamen, noch lange nicht die ganze Größe des Komplexes sein. Denn es heißt, der König habe dreizehn oder vierzehn Frauen, von Kindern spricht hier noch niemand.

Übrigens ist dies wieder ein Zeugnis dafür, dass die Traditionen und kulturelle Lebensweisen neben der Modernisierung und Verwestlichung parallel weitergelebt werden. Wie schon die Geschichte mit dem Aberglaube, gibt es noch Familien, die ihre Töchter als Geschenk an den König abgeben. Für viele Ghanaer ist das ein abgeschlossenes Thema, Frauen und Männer können frei wählen, wen sie heiraten wollen und das geschieht nicht selten aus Liebe. Trotzdem wird der König vom Volk geachtet und noch jetzt haben sie in der Politik viel mitzubestimmen.

Wie gesagt, es war nur zu schade, dass William das Angebot mit den drei Kühen abgeschlagen hatte 😉 Aber bei Ghanaern kann man sich eh nie ganz sicher sein, wann sie ernst machen und wann sie scherzen.

Warum sich der König ausgerechnet für uns Zeit genommen hatte, klärte sich mir, als ich erfuhr, dass genau dies seine Aufgabe war, wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, darüber zu entscheiden, ob man eine Mauer quer durch die Straße bauen durfte, damit keine waghalsigen Motorradfahrer mehr ausversehen in dein Haus fahren konnten (Sorry James 😉). Es war ein ungewohnt neues Gefühl, sich vor jemanden auf den Boden zu Knien und sogar den Augenkontakt zu meiden, als Zeichen des größten Respekts (soviel noch einmal zur Gewichtigkeit der Tradition). Verstanden habe ich von dem folgenden Gespräch nicht viel, welches zu einem Gemisch aus Englisch und Mampuli wurde. Ebenfalls beeindruckend war, dass ein Dolmetscher (der König spricht kein Englisch, ist aber auch schon über achzig) immer die Fragen und Antworten wiederholte, auch, wenn nur auf Mampuli gesprochen wurde. Am Ende bot sich uns noch ein sehr unterhaltsames Bild, als wir bei der Verabschiedung mit zuschauen durften, wie sich ca. 20 Kinder um die M&M- Tüte scharten. Nach einem letzten Gruppenfoto verabschiedete uns der Dolmetscher am Tor, nicht bevor er sich selbst noch eine Hand voll der Leckereinen in den Mund geschoben hatte und mit drei geschenkten lebendigen Gineafous verließen wir den Königspalast.

…Nach letztem Freitag bin ich auf jeden Fall einen Schritt weiter gekommen, bei der Frage, was ich nach meinem Auslandsjahr machen möchte. Beziehungsweise, eigentlich weiß ich jetzt, was ich garantiert nicht machen möchte! Irgendwas hatte mich schon vorher ahnen lassen, dass Zahnarzt keine Option bietet, aber man kann so etwas ja nie gewiss behaupten, bevor man es nicht ausprobiert hat.

Es war so: Einer unter den „alten Bekannten“ war Dr. Fuller und er ist definitiv ein kleines Wunder. Mit seinen 91 Jahren reist er immer noch zweimal im Jahr für drei Wochen nach Ghana, um sieben Tage die Woche schmerzenden Zähnen entgegenzutreten. Mit im Team sind die Zahnärzte aus dem Krankenhaus, sowie permanente oder gelegentlich (so wie wir) freiwillige Helfer. Zusammen brechen sie jeden Tag zu einem anderen Ort auf; zu Menschen, die kein Zahnarzt vor Ort haben oder die sich eine ärztliche Behandlung nicht leisten könnten.

Kaum hatten wir die erste Bekanntschaft mit diesem Mann gemacht, hatte er uns kurzum dazu eingeladen, ihn bei einer seiner Ausfahrten zu begleiten. Ganz nebenbei viel die Bemerkung, dass bei seiner Arbeit mit Sicherheit alle freien Hände zum Einsatz kommen würden (Hiiilfeee!!). Und so machte ich mich letzen Freitag ganz nach dem Motto „You only live ones“ mit ein wenig erhöhtem Puls auf zum Krankenhaus, denn ein wenig Bammel hatte ich schon vor den vielen Zähnen, die darauf warteten, gezogen zu werden. Trotzdem war ich natürlich gespannt darauf, wie denn ein Zahnarztbesuch in Ghana aussieht.

Die einstündige Fahrt im Jeep zu unserem Zielort war definitiv schon eine Nummer für sich. Ich hatte ganz vergessen, welch ein Glück wir doch haben, an einer Hauptstraße zu leben, denn. der Großteil von ihnen wurde noch nicht mit einer Teerschicht bekleidet. Da es kurz zuvor geregnet hatte, sah die Straße an manchen Stellen aus wie ein reines Schlammloch und hätten uns einheimische Bauern nicht versichert, dass der Weg von nun an nur noch besser wird, hätten wir an einem Punkt Kehrt gemacht. Mit ein wenig (oder viel?!) Optimismus, dass es an diesem Tag schon nicht regnen wird, setzten wir unseren Weg fort.

Ein weiteres Fazit, das ich aus dem Tag ziehen konnte, mal abgesehen davon, dass ich kein Zahnarzt werden wollte, war, dass ich mir darin sicher wurde, dass es Standards in Ghana gibt, an die ich mich niemals gewöhnen könnte. Ich meine, es war ja schon beeindruckend, dass Adi und ich mit keinerlei handwerklichen Erfahrungen an die Gerätschaften durften. Die improvisierte Zahnarztpraxis entstand im Schatten eines Baumes und bestand aus einem Tisch, auf dem Zangen und Betäubungsmittel ausgebreitet wurden, sowie zwei Bänken, auf denen die Patienten behandelt wurden. Nacheinander wurde Gebiss für Gebiss inspiziert und die am meisten schmerzensbereitenden Zähne notiert. Nach der Betäubungsspritze ging es dann ran ans Werk: Der Arzt greift von hinten um den Kiefer, drückt den Kopf in den Nacken und beginnt mit seiner gesamten Armeskraft, den betroffenen Zahn mit Hilfe verschiedenen Zangen in den Schwitzkasten zu nehmen. Das ist das, was ich beobachtet habe und was mir erklärt wurde und dann folgte: „So Madam, Sie sind an der Reihe“. Ich fasse es kurz zusammen: Als zu dem Blut im Munde auch noch das Geräusch von knirschenden Zähnen hinzukam, wollte mein Magen nicht mehr. Tja, man wird hald zum (Zahn-)Arzt geboren oder nicht, denn die Fähigkeit, auszublenden, dass der leidende Patient ein Mensch ist, wurde mir leider nicht gegeben. Ich frage mich die ganze Zeit, wie es sich anfühlen wird, wenn die Betäubung nachlässt …und dann denke ich an meine Wunde von den Weisheitszähnen, die sich trotz nähen und Mundhygiene entzünden konnte…

Ich war nur froh, dass wir dieser Tag nur 40 Zähne lang war und nicht 180!

Bis zum nächsten Mal 😉!

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